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07.12.2024

Presse im HB: Kein Weltstadtformat

So sieht das «Presse-Center» im Hauptbahnhof aus. Besonders kundenfreundlich ist die Präsentation nicht.
So sieht das «Presse-Center» im Hauptbahnhof aus. Besonders kundenfreundlich ist die Präsentation nicht. Bild: Tobias Hoffmann
Im Zuge der Renovation des Hauptbahnhofs ist 2020 der Presseshop in der Haupthalle verschwunden. Gleichwertigen Ersatz gibt es heute nicht mehr. Ein Zeichen für den Niedergang der Printmedien? Oder eine Frage der Profitmaximierung?

Tobias Hoffmann

Vor ein paar Wochen fuhr eine Bekannte zum Hauptbahnhof, auf der Suche nach dem Magazin «Donna». Ihre Tochter hatte sie auf einen Artikel in diesem Frauen­magazin aufmerksam gemacht. Nachdem sie eine Weile im Untergrund des HB umhergestreift war, kehrte sie unver­richteter Dinge nach Hause zurück. Sie konnte keinen Presseladen mit breitem Angebot mehr finden.

Vor fünf Jahren wäre unmittelbar klar gewesen, wohin sie ihre Suche geführt hätte: zum Press & Book-Shop an bester Lage im Südtrakt, mit Eingang von der grossen Bahnhofshalle her. Hier war es möglich, sich vor einer Zugreise in Kürze mit vielfältigstem Lesestoff einzudecken. Das weitläufige Lokal mit einem breiten Angebot an Zeitungen, Zeitschriften, ­Belle­tristik, Reisebüchern und Landkarten wurde im April 2020 im Zuge der Renovation des Hauptbahnhofs geschlossen.

Nach der Wiedereröffnung der Läden vor einem knappen Jahr zeigte sich: Der Presseshop ist weg. Übrig geblieben ist ein schmaler Kiosk mit minimalstem Angebot (siehe Bild unten links). Nebenan gibt es statt wie früher Zeitschriften nun Sprüngli-Pralinés zu kaufen – wogegen natürlich nichts einzuwenden ist. Eine Anfrage bei Valora, der Betreiberin der Press & Book-Shops, ergibt, dass Valora sich für die Zeit nach der Renovation wieder für eine Ladenfläche am gleichen Ort beworben, den Zuschlag der SBB aber nicht mehr erhalten hatte. So sagt es Maximilian Schenner, Mitarbeiter Corporate Communications bei Valora. Der Presseshop brachte offenbar nicht genug Umsatz.

Viele Standorte mit wenig Angebot

Der Hauptbahnhof Zürich ist mit etwa 400 ′000 Personen pro Werktag der weitaus frequenzstärkste Bahnhof der Schweiz. Wie kann es sein, dass man hier daran scheitert, intuitiv ein breit gefächertes, gut präsentiertes Presseangebot zu finden? Fabienne Thommen, Mediensprecherin der SBB, beantwortet die Frage so: «Während Press & Books in der Haupthalle nicht mehr vertreten ist, gibt es im Hauptbahnhof Zürich insgesamt neun ‹k-kiosk›-Filialen, die Presseprodukte verkaufen.» Insbesondere das Presse-Center im Shopville stelle mit einer grossen Auswahl an Presseprodukten sicher, dass die Nachfrage nach Printmedien weiterhin gedeckt werde.

«k-kiosk» ist genau wie «Press & Books» ein Verkaufsformat der Valora-Gruppe, die in der Schweiz und in anderen europäischen Ländern rund 2800 Verkaufsstellen an Hochfrequenzlagen betreibt. Tatsächlich findet man im Hauptbahnhof solche Kioske beinahe auf Schritt und Tritt. Die meisten führen jedoch ein sehr limitiertes Pressesortiment. Manchmal ist es in eine kleine Nische verbannt. Auch in der Querhalle, nahe bei den Geleisen, gibt es zwei Kioske; der eine davon ist eine klassische Bude mit Zeitungsständern (siehe Bild unten rechts). Hier allerdings schrumpft die Weltstadt Zürich beinahe zur Dorfgrösse. In italienischen Kleinstädten ist das Zeitungsangebot stattlicher.

Und wo das sogenannte Presse-Center ist, muss man zuerst einmal heraus­finden. Als solches angeschrieben ist es nicht. Und wenn man es nach einigem Werweissen gefunden hat, erweist sich seine Lage als wenig attraktiv. Steigt man von der Bahnhofstrasse ins Shopville herab, erkennt man links hinter dem Wasserfall-Würfel eine hellblaue «k-kiosk»-Tafel. Die Filiale legt sich in L-Form um den Abgang zum SZU-Bahnhof. Es gibt zwei Eingänge von verschiedenen Gassen her. Die Ecke für die Presseprodukte belegt geschätzte 15 bis 20 Quadratmeter. Der verschwundene P & B-Shop hatte laut Maximilian Schenner von Valora demgegenüber 133 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Kiosk in der Querhalle: Das Zeitungsangebot wirkt nicht gerade weltstädtisch. Bild: Tobias Hoffmann

Kundenzufriedenheit soll hoch sein

In eine genauere Analyse des Zeitschriftenangebots müssen wir uns hier nicht verlieren. Zu schmökern gibt es einiges. Auch das «Donna»-Magazin ist vorhanden. Aber kundenfreundlich ist dieser Laden nicht, die Platzverhältnisse sind beengt, die Themenfelder und Wissensgebiete sind nicht gekennzeichnet. Von der «einmaligen Pressekompetenz», die auf der Website von Press & Books beschworen wird, ist hier nichts zu sehen. Dort heisst es im Übrigen auch, das Sortiment basiere «auf über 4500 Zeitungen und Zeitschriften aus über 30 Ländern in 21 Sprachen». Davon dürfte in diesem «k-kiosk»-Presse-Center nur ein Bruchteil im Angebot sein.

Die SBB sehen das Problem mit dem schlechten Angebot nicht. Mediensprecherin Mara Zenhäusern schreibt: «Unsere regelmässigen Kundenbefragungen zeigen, dass die Kundinnen und Kunden mit der aktuellen Zusammenstellung des Bahnhofangebots im HB Zürich sehr zufrieden sind.» Vielleicht ist es ja wirklich so, dass die Konsumgewohnheiten sich stark geändert haben, sodass die Kundschaft, die sich am Bahnhofskiosk mit Lesestoff für die Reise oder fürs Wochenende eindeckt, auszusterben droht.

Magazin ist nicht gleich Magazin

Der Niedergang der Tages- und der Wochenzeitungen ist eine seit längerem bekannte Tatsache: Gemäss dem Branchenverband Schweizer Medien hat sich die Zahl der Zeitungstitel seit 2009 von 261 auf 211 reduziert, die Auflage sämtlicher Zeitungen im gleichen Zeitraum sogar von 7,4 Millionen auf fast nur noch 4 Millionen Exemplare. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Viele namentlich junge Menschen informieren sich vorzugsweise über Social-Media-Plattformen und lassen traditionelle Medien links liegen. Und viele Nutzer traditioneller Medien konsumieren die News fast nur noch online.

Wie aber sieht es mit den Magazinen aus? Präzise Zahlen dazu sind schwer zu bekommen. Immerhin lässt sich aus zwei Grafiken auf der Plattform «statista» herauslesen, dass die Zeitschriftenverkäufe schrumpfen. Eine der Grafiken ist sogar mit «Magazine verlieren am meisten Print-Reichweite» überschrieben. Hier sind aber wohl vor allem Newsmagazine gemeint.

Die Angaben betreffen zwar Deutschland, dürften aber auch auf die Schweiz zutreffen. Zu bedenken ist jedoch, dass der Zeitschriftenmarkt sehr heterogen ist. Für sogenannte Special-Interest-Zeitschriften – also etwa Computer-, Automobil-, ­Fussball-, Kunst- oder Wissenschaftsmagazine – lassen sich zum Teil gegenläufige Tendenzen beobachten. Viele dieser Zeitschriften werden aber im Abonnement bezogen – oder ebenfalls online gelesen. Die Zahl jener, die sie sich am Kiosk besorgen, scheint zurückgegangen zu sein. Schliesslich ist noch anzumerken, dass ausländische Magazine in der Schweiz meistens mit einem saftigen Aufschlag verkauft werden. Das erwähnte «Donna»-Magazin kostet, um nur ein Beispiel zu nennen, in Deutschland 5.20 €, in der Schweiz hingegen 8.80 Franken, also etwa 70 Prozent mehr.

Flugpassagiere haben es besser

Nun noch einmal zurück zur Qualität des Zeitschriftenangebots im Hauptbahnhof. Die SBB verteidigen sich mit der Aussage, dass sie verschiedene Verkaufskonzepte berücksichtigen würden: Fabienne Thommen schreibt, einige Anbieter würden sich mit ihrem Sortiment auf die klassische Bahnhofkundschaft konzentrieren, die in kurzer Zeit und in grosser Zahl ein Angebot wahrnimmt. Andere würden ein Sortiment verkaufen, «das weniger auf Pendlerinnen und Pendler ausgerichtet ist, und setzen dafür mehr Zeit und Beratung pro Kundin und Kunde ein». Bei nüchterner Betrachtung muss man zum Schluss kommen, dass das genannte Presse-Center weder das eine noch das andere leistet. Zu ungünstig ist seine Lage, zu beengt und zu unübersichtlich sein Angebot – von Beratung ganz zu schweigen.

Press & Book-Shop im Flughafen: Sortiment und Präsentation sind mindestens eine Klasse besser hier. Bild: Tobias Hoffmann

Zum Schluss sehen wir uns noch kurz am Flughafen um, denn dort finden sich nicht weniger als sieben «Press & Books»-sowie acht «k Kiosk»-Filialen, wovon einige allerdings nur Flugpassagieren zur Verfügung stehen. Die Voraussetzungen im Flughafen sind räumlich ganz anders, nämlich grosszügiger. Das führt dazu, dass die Zugänge nicht beengt sind, die Präsentation sich luftig ausnimmt und die Kundenzirkulation erleichtert wird. Der grösste Presseladen befindet sich beim Check-in 2. Er führt ein grosses Sortiment an Zeitschriften, die Suche wird durch Thementafeln wie «Hobby» oder «Health» erleichtert. Man sieht, dass hier eine noch internationalere Kundschaft anzusprechen ist als am Hauptbahnhof. Bei einem Besuch einiger dieser Filialen an einem Montagmorgen waren aber nur ganz wenige Kunden anzutreffen. Vielleicht entspricht der Zeitschriftenkiosk halt doch keinem dringenden Bedürfnis mehr.

Tobias Hoffmann/Zürich24