Home Region Sport Agenda Schweiz/Ausland Magazin

Kunstverein im Kunst(Zeug)Haus

Céline Gaillard erläutert das Werk «root of potential (power of two)» (l.). Vor einer, der riesigen Schwarzweiss-Zeichnungen (r.).
Céline Gaillard erläutert das Werk «root of potential (power of two)» (l.). Vor einer, der riesigen Schwarzweiss-Zeichnungen (r.). Bild: Antoinette Lüchinger/Collage: Linth24
Das Kunst(Zeug)Haus Rapperswil-Jona zeigt eine Ausstellung von Julia Steiner, die ihren faszinierenden, künstlerischen Werdegang und tiefgründige Werke von höchster Präzision zeigt.

Co-Direktorin Céline Gaillard persönlich führte die anwesenden Mitglieder des Kunstvereins Oberer Zürichsee durch die Ausstellung «Konstellationen». Sie gewährte mit ihren Ausführungen einen tiefen Einblick in das Gedankengut, Wirken und Leben der Künstlerin Julia Steiner (1982).

Diese begann ihre Karriere als Kunstvermittlerin, stellte aber bald fest, dass sie lieber selbst Kunst macht. Erste Erfolge gaben ihr Recht. Sie bekam schnell Aufträge von Museen und kreierte Kunst am Bau.

Schwebende Bildräume

Steiners gesamtes Schaffen kreist um die Themen Raum, Zeit, Dasein und Vergänglichkeit. Mit überwiegend schwarzen Tönen erschafft sie in ihren Zeichnungen kraftvolle und zugleich poetische, lichte Bildräume mit viel Bewegung. Das Spiel mit Licht und Dunkel, Abstraktion und Gegenständlichkeit fasziniert.

Sie verfügt auch über ein riesiges Repertoire an strukturalen Werken und interpretiert diese immer wieder neu. Wie beispielsweise die beiden goldfarbenen Kopfhälften eines Mannes, die nun auf mehreren Papierstreifen am Boden liegend ausgestellt sind.

Die Ausstellung selbst umfasst gemäss Gaillard drei Ebenen:

Erstens die riesigen monochromen Zeichnungen an den Wänden und Video-Installationen, zweitens die von der Decke hängende Garninstallation und drittens die diversen strukturalen Werke am Boden. Das Ganze bildet eine Einheit und erzeugt eine spezielle Raumatmosphäre und -erlebnis – sogenannte Bildräume.

Mit ihrer Garn-Installation aus hunderten von weissen Fäden nimmt sie die Raumstruktur und geschwungenen Deckenlinien auf und setzt sie raumfüllend fort. Man wandelt wie durch einen riesigen Vorhang, der immer wieder neue Schätze preisgibt.

Vergoldete Kopfhälfte (l.) und Garninstallation (r.). Bild: Antoinette Lüchinger

In Videoaufnahmen, die zum Teil erstmals in der Schweiz zu sehen sind, zeigt sie ihr Schaffen. So verschmilzt sie beispielsweise die Bibel und den Koran Seite für Seite miteinander zu einem grossen Buch. Gedanken an ein friedfertiges Zusammenleben und Einheit kamen bei den Besuchenden spontan auf und veranlassten lobende Kommentaren.

Vergehen und Vergänglichkeit

Die mit Kupfer überzogenen Gras-Installationen «whispering systems» an den Wänden wirken wie äusserst fragile dreidimensionale Gemälde und symbolisieren eingefangene Vergänglichkeit. Jede Arbeit dieser 62-teiligen Serie folgt mehreren von der Künstlerin definierten und festgelegten Bewegungsregeln, bis eine in sich stimmige Komposition entsteht.

Die 2019 kreierte Faden-Struktur «root of potential (power of two)», die aus 1-8 Fäden besteht und sich gegen unten immer mehr verdickt und anwächst, steht laut Gaillard als Sinnbild für Begegnung und Wachsen.

Der letzte Raum

Sehr tiefschürfend und berührend sind die neusten, hier ausgestellten Werke aus den vergangenen fünfzehn Schöpfungsjahren von Julia Steiner. Sie träumte von ihrem eigenen Tod in einem Kunstraum. Diesen bildete sie realitätsnahe nach.

In einem Video schleift sie in stundenlanger Arbeit mit einer Bürste ihre zuvor gemalten Werke von Wänden, Decke und Boden. Der fast bittere Geschmack von Vergänglichkeit schwebt spürbar über dem Ganzen und macht nachdenklich.

Julia Steiner schrubt die Wände leer (l.). Filigrane Graskonstruktion (r.). Bild: Antoinette Lüchinger/Collage: Linth24

Die Künstlerin

Julia Steiner wurde 1982 in Büren zum Hof (BE) geboren. Sie lebt und arbeitet heute in Basel und realisierte zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland.

Steiner wurde mehrfach für ihre Arbeiten ausgezeichnet, u.a. mit dem Swiss Art Award und dem Manor Kunstpreis. Ein Artist-in-Residence-Programm führte sie nach Peking, London und Mallorca.

Buch über Julia Steiner

Demnächst erscheint im Verlag About ein Künstlerinnenbuch über Sie, das am 28. September 2025 im Kunst(Zeug)Haus anlässlilch der Buchvernissage präsentiert wird.

Die Ausstellung «Konstellationen» ist noch bis am 2. November 2025 im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil-Jona zu sehen.

Antoinette Lüchinger, Kunstverein Oberer Zürichsee/Linth24