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Lachen
18.09.2019
06.05.2022 15:27 Uhr

"Viele Ereignisse begleiten uns ein Leben lang"

Das Rettungsteam in Lachen: Luigi Nuzzello, Nathalie Lerch, Andreas Rohner, Christoph Reggel und der Leiter des Rettungsdienstes Wladimir Gervasoni.
Das Rettungsteam in Lachen: Luigi Nuzzello, Nathalie Lerch, Andreas Rohner, Christoph Reggel und der Leiter des Rettungsdienstes Wladimir Gervasoni. Bild: geh
Wladimir Gervasoni, Betrieblicher Leiter des Rettungsdienstes am Spital Lachen, erzählt aus seinem spannenden Berufsleben.

«Viele Leute vergessen, dass wir als Rettungssanitäter einer grossen psychischen Belastung ausgesetzt sind. Trotz intensiven Trainings und Schulungen gehen uns gewisse Einsätze sehr nahe – viele Ereignisse begleiten uns ein Leben lang. Das Schicksal schlägt oftmals schonungslos zu. Diese Erlebnisse legen wir nicht einfach ab, wenn wir die Uniform in den Schrank hängen. Mitzuerleben, wie Eltern ihr Kind verlieren, oder jemand jäh aus dem Leben gerissen wird, das ist auch für uns unfassbar schwer. Es verändert die Sicht auf das Leben, man lernt, die schönen Dinge des Lebens viel mehr zu schätzen. Unser Job macht uns dankbar dafür, dass es uns und unseren Liebsten gut geht.

Als Rettungssanitäter begleitet man fremde Menschen in Situationen grossen Leids, versucht, sie zu beruhigen, aber ist machtlos gegenüber dem Schmerz und der Fassungslosigkeit, die sie in diesem Moment empfinden. Auch wenn wirklich schlimme Ereignisse eher selten sind, muss ein Rettungssanitäter mit tragischen Erlebnissen umgehen und in emotionalen, stressigen Situationen viel Verantwortung übernehmen. Wenn man an eine Unfallstelle kommt, muss man sofort handeln, ohne das Geschehnis zu nahe an sich heran zu lassen ­– das braucht grosse Nervenstärke. Aber gleichzeitig ist es wunderbar, in Situationen, in denen andere Menschen am Anschlag sind, helfen zu können. Doch man ist immer nur so gut wie sein Team – alle ziehen an einem Strang. Wir verlassen uns aufeinander und funktionieren im Ernstfall ohne viele Worte. Das Team ist wie eine grosse Familie: Erleben wir einen tragischen Einsatz, sitzen wir danach zusammen und sind füreinander da. Das Reden über die Einsätze, über die Gefühle und Bilder, die uns danach begleiten, ist von zentraler Bedeutung, um das Erlebnis zu verarbeiten.

Denn immer wieder schlägt die Realität schonungslos zu, und man muss machtlos zusehen, wie Patienten sterben. Man wird sich bewusst, dass unser Können trotz der Ausbildung begrenzt ist und wir manche Personen nicht retten können, obwohl wir alles versucht haben. Besonders Einsätze mit Kindern nehmen einen mit. Hat man selbst Kinder, fühlt man automatisch noch stärker mit. Aber auch Einsätze, bei denen man persönlichen Kontakt zum Patienten hat, bleiben haften. Ich werde nie vergessen, wie ein älterer Herr meine Hand nahm, mir in die Augen schaute und mich verzweifelt darum bat, ihn nicht sterben zu lassen. Doch leider können wir das nie versprechen, auch wenn wir immer alles tun, was wir können.

Aber Rettungssanitäter zu sein, ist ein wundervoller Job. Unser Alltag hat viel Schönes, wir sind da, um zu helfen und zu retten: Man erlebt Freude und Erleichterung in den Gesichtern der Menschen und wie dankbar sie sind, wenn man ihnen helfen kann. Manchmal zeichnet ein Kind ein Bild für uns, um sich für unseren Einsatz zu bedanken. Solche Gesten sind unbezahlbar.»

  • Wladimir Gervasoni Bild: zvg
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  • Jeder Patient wird während des Transports überwacht, um seinen Zustand genaustens unter Kontrolle zu haben. Bild: Geraldine Hug
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