Es war ein überraschendes Urteil, das in Luxemburg verkündet wurde, und eines mit Sprengkraft. Eines, das den internationalen Klubfussball in Europa revolutionieren oder zumindest beeinflussen könnte. Die Lancierung einer Super League ist zwar trotz des Richterspruchs nach wie vor nicht gewährleistet. Vonseiten der Drahtzieher bestehen aber sehr wohl Pläne über deren Verlauf.
Das Urteil ist für die Uefa ein unerwarteter Nackenschlag. Beim Kontinentalverband hatten sie auf einen Entscheid in ihrem Sinn hoffen dürfen, zumal nach der Einschätzung des Generalanwalts, der im Handeln von Fifa und Uefa keine Gesetzeswidrigkeit festgestellt hatte. Der Generalanwalt kann lediglich Empfehlungen abgeben. Eine richterliche Stimme hat er nicht. In vier von fünf Fällen folgen die Richter aber seinem Ansinnen.
In ihrem Urteil kamen die Richter zum Schluss, dass Fifa und Uefa nicht berechtigt sind, Wettbewerbe ausserhalb ihres Verantwortungsbereichs von ihrer Genehmigung abhängig machen zu dürfen und Vereinen und Spielern zu verbieten, an diesen Wettbewerben teilzunehmen. Das bedeute allerdings nicht zwangsläufig, dass die Super League genehmigt werden müsse.
Missbrauch der Marktposition
Es gebe keinen Rahmen für die Reglemente der Verbände, der gewährleiste, dass die Vorgaben transparent, objektiv, nicht diskriminierend und verhältnismässig seien. Auch die Vorgaben, die der Fifa und der Uefa die ausschliessliche Kontrolle über die kommerzielle Rechteverwertung der Wettbewerbe einräumen, würden den Wettbewerb in der EU einschränken, hiess es im Urteil weiter. Die Fifa und Uefa würden ihre dominante Marktposition missbrauchen.
Die Verantwortlichen der Uefa hatten auf die Absichten der Drahtzieher für eine Super League mit gravierenden Sanktionen gedroht. Abtrünnige Klubs sollten aus den Meisterschaften ihres Landes ausgeschlossen, ihre Spieler für Einsätze mit ihren Nationalteams an internationalen Turnieren gesperrt werden.
Die Initiatoren der Super League feierten das Urteil umgehend als grossen Sieg. «Das Uefa-Monopol ist vorbei», war aus ihren Kreisen zu hören. Die Uefa ihrerseits hat «das Urteil zur Kenntnis genommen». Sie verwies in einem Communiqué darauf, dass der richterliche Beschluss «keine Billigung oder Bestätigung der sogenannten Super League» bedeutet. Beim Kontinentalverband sind sie von der Richtigkeit ihrer Regeln überzeugt – insbesondere davon, dass sie mit allen relevanten europäischen Gesetzen und Vorschriften übereinstimmen.
«Wir haben die sogenannte Präsentation gesehen. Es ist schwer zu entscheiden, ob man geschockt sein soll – oder amüsiert. Weil wir nah an Weihnachten sind, bin ich eher bei amüsiert», sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin in einer ersten Reaktion.
Auch die Swiss Football League (SFL) nahm das Urteil «zur Kenntnis» und teilte in ihrer Stellungnahme mit, dass die SFL «konsequent am Grundprinzip festhält, dass der Zugang zu den europäischen Klubwettbewerben ausschliesslich über die Leistungen in den jährlich stattfindenden nationalen Wettbewerben organisiert werden soll».
Aus einem Dutzend wurde ein Duo
Die Idee einer europäischen Super League hatte sich schon vor vielen Jahren in den Fussball-Stadien breitgemacht. Vor zweieinhalb Jahren hatte diese Idee konkretere Konturen angenommen. Die Strippenzieher mit Florentino Perez, dem Präsidenten von Real Madrid, an der Spitze machten ihre Absichten damals öffentlich. Zwölf Vereine – Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester City, Manchester United und Tottenham Hotspur aus der englischen Premier League, neben Real Madrid der FC Barcelona und Atlético Madrid aus der spanischen La Liga sowie Juventus, Inter Mailand und Milan aus der italienischen Serie A –, hatten sich ursprünglich für die Umsetzung ausgesprochen.
Die Front bröckelte aber rasch. Die Drohungen der Uefa hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Innert weniger Tage blieb vom Dutzend ein Duo übrig. Einzig in der Chefetage von Real Madrid und des FC Barcelona hielten sie am Plan fest und ihre Absicht aufrecht, eine Super League auf die Beine zu stellen – und setzten (auch) auf juristischem Weg alle Hebel in Bewegung.
In ihrem Namen reichte die von den Initianten ins Leben gerufene Gesellschaft European Superleague Company gegen die Fifa und die Uefa beim Handelsgericht in Madrid Klage ein. Das Gericht in Spaniens Hauptstadt reichte den Fall schliesslich an den Europäischen Gerichtshof weiter.
Auswirkungen noch nicht abschätzbar
Wie stark nach dem Urteil in Luxemburg das Interesse an einer Super League wieder zunehmen wird, wird sich weisen. Und ebenso, welche Auswirkungen der Richterspruch auf den Klubfussball beziehungsweise die internationalen Wettbewerbe in Europa haben wird.
Manchester United und Atlético Madrid, die zu Beginn zu den Unterstützern der Super-League-Pläne gehört hatten, ihre Position nach den heftigen Reaktionen seitens der Fans aber geändert haben, erklärten, weiter die Uefa zu unterstützen. Auch Borussia Dortmunds Chef Hans-Joachim Watzke bekräftigte, der BVB stehe für eine Super League nicht zur Verfügung.
Manchester United erklärte in einem Statement, man setze sich weiterhin voll und ganz für die Teilnahme an Uefa-Wettbewerben und die positive Zusammenarbeit mit der Uefa, der Premier League und anderen Vereinen über die European Club Association ein.
Atlético Madrid schrieb: «Deutschland, Frankreich, England, Italien, Spanien mit Ausnahme von Real Madrid und FC Barcelona usw. wollen keine Super League.» Man sei für den Schutz der grossen Familie des europäischen Fussballs, für den Schutz der nationalen Ligen und dafür, dass dank ihnen in jeder Saison die Qualifikation für europäische Wettbewerbe auf dem Spielfeld erreicht wird.
